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Wird die Welt friedlicher?

Hast du dir eigentlich schon einmal überlegt was du tun würdest, falls morgen eine feindliche Armee in Deutschland einmarschieren würde?

Ein Freund hat mir einmal in der Schule erzählt, dass die Hälfte aller Schüler schon einmal darüber während des Unterrichts nachgedacht hat. Valide Quellen schien er aber nicht zu haben.

Die Wenigsten von uns gehen wohl ernsthaft davon aus, dass wir überfallen werden könnten. Es ist 75 Jahre her, dass feindliche Truppen auf deutschem Boden standen. Die älteste Person, dich ich je kennen gelernt habe (mein Opa), war 10 als der Krieg endete. Krieg ist mir, und vermutlich auch den meisten von euch, fern.

Ist dies ein deutsches Phänomen, oder gilt es allgemeiner? Wird die Welt friedlicher? Steuern wir auf eine Welt ohne Krieg zu?

Diese Fragen versuche ich im Folgenden zu beantworten. Zu diesem Zweck schauen wir uns natürlich zunächst Daten über Kriege an.

Daten

Woher bekommt man Daten über Kriege? Es gibt verschiedene Datensätze, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Manche decken bestimmte Gebiete sehr detailliert ab, andere bieten einen groben Überblick über die gesamte Welt, in wieder anderen wird genau zwischen verschiedenen Konfliktarten unterschieden und so weiter.

Für diesen Artikel ist eine lange Zeitreihe wichtig. Ein Datensatz, der besonders weit in die Vergangenheit zurückreicht, ist der Conflict Catalog von Peter Brecke. Die Daten kannst du selbst hier herunterladen.

Obwohl sehr viel Arbeit in die Erstellung dieses Datensatzes geflossen ist, sind die Daten nicht perfekt. Dies liegt zum einen daran, dass wir von vielen Kriegen in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht wissen. Zum anderen sind ältere Quellen häufig sehr unzuverlässig was die Opferzahl betrifft. Häufig wurde hier aus politischen Gründen übertrieben.

Diese Ungenauigkeiten sind außerhalb Europas deutlich größer. Aus diesem Grund liegt der Fokus dieser Analyse auf Europa. Dies erhöht die Datenqualität deutlich und erlaubt es uns auch weiter in die Vergangenheit zu reisen.

Abgesehen vom Conflict Catalog nutzen wir auch Bevölkerungsdaten. Diese beziehen wir aus dem HYDE (History Database of the Global Environment) Datensatz. Das ist ein riesiger Datensatz, in den Jahrzehnte der Bevölkerungsforschung kulminieren. Die Daten findet ihr hier.

Weniger Kriege

Die offensichtlichste Frage zuerst: gibt es jetzt mehr oder weniger Kriege als früher? Das ist einfach zu beantworten.

Die folgende Graphik zeigt die Anzahl der Kriege je Jahrhundert. Wir betrachten 11 Jahrhunderte, beginnend im 10.

Abbildung 1: Die Anzahl der Kriege in Europa je Jahrhundert, vom 10. bis zum 20. Jahrhundert.

Wie man sieht, gab es im 10. Jahrhundert in Europa etwa 180 Kriege. Ganz schön viel, vor allem im Vergleich zum 20. Jahrhundert. Da gab es nur ca. 75 Kriege.

Wenn wir uns den Trend ansehen bemerken wir, dass die Anzahl der Kriege vom 10. bis zum 13. Jahrhundert gestiegen ist.

Von dort an wurden es immer weniger. Im 18. Jahrhundert betrug die Anzahl der Kriege nur ein Sechstel der Anzahl im 13. Jahrhundert.

Im 19. Jahrhundert waren es dann wieder mehr. Die Anzahl der Kriege sank im 20. Jahrhundert aber wieder, wobei es den absoluten Tiefstand des 18. nicht unterbot.

Mehr Tote

Irgendetwas ist komisch an dem oben dargestellten Trend. Nach Abbildung 1 würde man vermuten, dass die Welt immer friedlicher wird und insbesondere das 20. Jahrhundert als besonders friedlich in die europäische Geschichte eingegangen ist.

Würde man jetzt nicht so vermuten, oder? Das 20. Jahrhundert hat schließlich durch die beiden Weltkriege deutliche mehr Todesopfer gefordert als jedes andere Jahrhundert.

Dies wird auch in der folgenden Graphik deutlich. Dort zeige ich euch, für jedes Jahrhundert, wie viele Menschen insgesamt durch Kriege zu Tode kamen (in absoluten Zahlen).

Die Zahl der Todesopfer steigt mit der Zeit rasant an. Die meisten toten forderten, wie erwartet, die Kriege des 20. Jahrhunderts, fast 30 Millionen!

Abbildung 2: Die absolute Anzahl der Kriegstoten in Europa je Jahrhundert, vom 10. bis um 20. Jahrhundert.

Obwohl mit der Zeit tendenziell immer mehr Menschen durch Kriege sterben, ist der Zusammenhang nicht monoton. Im 17. Jahrhundert starben fast doppelt so viele Menschen durch Kriege wie im 18. Jahrhundert.

Dies ist vor allem auf den verheerenden 30-jährigen Krieg zurück zu führen, der gerade in Deutschland ganze Siedlungsgebiete leerfegte.

Natürlich ist dieser Trend zum Teil dadurch zu erklären, dass die Bevölkerung Europas mit der Zeit gewachsen ist. In der folgenden Abbildung zeige ich euch daher wie viele Menschen durch Krieg starben relativ zur Bevölkerung am Ende des Jahrhunderts.

Abbildung 3: Die relative Anzahl der Kriegstoten in Europa (zur Bevölkerung am Ende des Jahrhunderts) je Jahrhundert, vom 10. bis um 20. Jahrhundert.

Der letzte Punkt in Abbildung 3 sagt uns zum Beispiel, dass die Anzahl der gesamten Kriegsopfer im 20. Jahrhundert etwa 4% der Einwohnerzahl im Jahre 2000 betrug. Ganz schön viel.

Aber lange nicht so viel wie im 17. Jahrhundert. Dieses war so gesehen das gewalttätigste Jahrhundert für Europa. In keinem anderen Jahrhundert war die Wahrscheinlichkeit in einem Krieg zu sterben so hoch wie damals.

Wenn wir uns den gesamten Trendverlauf ansehen, scheint das 17. Jahrhundert jedoch auch ein Ausreißer zu sein. Im Allgemeinen steigt die Kurve an. Mit fortschreitender Zeit stirbt ein immer größerer Anteil der Bevölkerung durch Kriege.

Heftigere Kriege

Wir haben jetzt gesehen, dass es mit der Zeit immer weniger Kriege in Europa gibt, aber gleichzeitig ein immer größerer Anteil der Bevölkerung durch Kriege stirbt.

Die offensichtliche Folgerung ist, dass Kriege mit der Zeit im Durchschnitt immer mehr Todesopfer fordern.

Der Vollständigkeit halber zeige ich euch genau diese Größe noch einmal in Abbildung 4. Für jedes Jahrhundert ist dort die absolute Anzahl der Todesopfer dargestellt, die ein Krieg damals im Durchschnitt gefordert hat.

Abbildung 4: Die durchschnittliche Anzahl der Kriegstoten in Europa pro Krieg, je Jahrhundert, vom 10. bis um 20. Jahrhundert.

Wie erwartet steigt die Kurve rasant an. Mit fortschreitender Zeit fordert ein einzelner Krieg immer mehr tote. Relativ zur Bevölkerung gesehen sieht der Trend wieder ähnlich aus.

Wie allgemein ist dieser Trend?

Gerne würden wir einen ähnlichen Trend für einen längeren Zeitraum und andere Weltregionen zeigen. Aber wie gesagt, die Datenlage ist dort schlechter.

Können wir vielleicht auch so etwas darüber aussagen, wie diese Trends aussehen?

Ich denke schon.

Lass uns zu diesem Zweck Krieg einmal sehr allgemein definieren. Ich sage, ein Krieg ist ein Aufeinandertreffen von zwei oder mehr Personen, von denen mindestens eine Gewalt einsetzt, um einer anderen Person körperlichen Schaden zuzufügen.

Dann ist es auch ein Krieg wenn ich meinen kleinen Bruder verkloppe um ihm die Fernbedienung wegzunehmen (habe ich natürlich nie gemacht 😉 ).

So gesehen ist die Natur voll von Kriegen. Ein Löwe, der eine Gazelle jagt, ist genauso ein kleiner Krieg wie auch ein Revierkampf zwischen zwei Wolfsrudeln.

In diesen Kriegen gibt es nur eben wenige Teilnehmer und meistens enden sie mit sehr wenigen toten (Löwen sind tatsächlich nicht sehr oft erfolgreich bei ihrer Jagd).

Ihr seht schon, wohin es führt. Wir hatten gesehen, dass je weiter wir in die Vergangenheit reisten, Kriege immer häufiger und wenige heftig wurden. Was ich gerade beschreibe ist so gesehen nur der Extremfall unseres Trends.

Jagden und sonstiges Messen finden in der Tierwelt andauernd statt und häufig tragen beide Parteien nur leichte Verletzungen davon. Denn entgegen der landläufigen Meinung sind die meisten Jäger sehr risikoavers und scheuen ernste Kämpfe. Schwerwiegende Verletzungen würden schließlich dazu führen, dass sie in Zukunft nicht mehr effizient jagen können, was ihren sicheren Tod bedeuten würde.

Von Affen und Atomwaffen

Wie gesagt sind Daten für die Frühgeschichte rar. Eine statistische Analyse können wir daher nicht durchführen. Eine beschreibende aber sehr wohl.

Und das machen wir in den folgenden drei Abschnitten.

Affen

Der Gombe National Park in Tansania ist wunderschön. Das dichte Grün bietet allen Bewohnern des Dschungels Nahrung und Schutz vor der prallen Sonne. Zu den Bewohnern dieses Paradieses gehört auch eine ganze Menge Schimpansen.

Und vor 35 Jahren auch ein paar Menschen. Denn damals war der Gombe noch kein Nationalpark und beherbergte ein Forschungszentrum, das Gombe Stream Research Centre.

Die Direktorin dieses Forschungszentrums war Jane Goodall. Als waschechter Hippie glaubte sie daran, dass Tiere, und insbesondere ihre geliebten Schimpansen, friedliche Wesen seien und nur der Mensch Gewalt, Krieg und Verderben in die Welt trage.

Doch am 22. Januar 1974 begann er, der Gombe Schimpansenkrieg. Mehr als vier Jahre sollte er dauern und viele Schimpansenleben kosten. Ihr glaubt mir nicht? Es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel darüber: hier klicken.

Jane musste nun also mit ansehen wie sich ihre Schützlinge gegenseitig zerfleischten. Ihre Erfahrungen hat sie in einem Tagebuch niedergeschrieben und später veröffentlicht.

Ich übersetze:

Ich habe viele Jahre gebraucht, um mein neues Wissen verdauen zu können. Oft, wenn ich in der Nacht aufwachte, kamen mir grausame Bilder in den Sinn. Satan (einer der Affen), der mit seiner Hand eine Wunde direkt unter dem Kinn von Sniff aufdrückt, um sein Blut trinken zu können. Der alte Rodolf, der sonst immer so liebevoll war, aufrecht stehend, um einen riesigen Stein auf Godi zu werfen, der mit dem Gesicht nach unten auf der Erde liegt. Jomeo, der Dé die Haut von den Oberschenkeln reißt. Figan, der immer und immer wieder auf den verwundeten, zitternden Körper von Goliath einschlägt, obwohl dieser sein Idol aus Kindheitstagen gewesen war.

Andere Forscher glaubten ihr nicht, als sie von den Vorfällen berichtete. Damals ging man davon aus, Menschen seien die einzige Spezies die Kriege führen würde.

Einige Forscher behaupteten schließlich, Jane hätte die Schimpansen zum Krieg aufgestachelt. Schon verrückt auf was für Ideen Menschen kommen, um ihre Grundannahmen nicht verwerfen zu müssen.

Spätere Untersuchungen ergaben aber, dass ihre Beobachtungen keineswegs ungewöhnlich waren. Krieg ist unter Schimpansen (und anderen Affen) weit verbreitet.

Typischerweise tragen die Männchen verschiedener Gruppen (die meist nur 5-20 Tiere umfassen) gewaltsame Kämpfe aus. Die siegreiche Gruppe bekommt entweder das Revier oder die Weibchen (oder beides) der Verlierer.

Anthropologen haben festgestellt, dass es diesbezüglich erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Schimpansengruppen und Gangs gibt (hier mehr dazu).

Wie euch vielleicht aufgefallen ist, passt dieser Befund perfekt in unsere Theorie. Um herauszufinden, wie Krieg bei Affen aussieht hätten wir einfach den Trend extrapoliert. Die Vorhersage ist, dass Kriege bei Affen häufig sind aber relativ wenige Opfer fordern. Diese Vorhersagen werden von der Evidenz bestätigt.

Naturvölker

Unsere affenähnlichen Vorfahren weihen nun wirklich sehr lange nicht mehr unter uns. Wie sieht es mit weniger weit entfernten Vorfahren aus?

Naturvölker gibt es noch immer. Nehmen wir mal an, dass unsere Naturvölkervorfahren ähnlich gelebt haben, wie heute noch existierende Naturvölker. Dann können wir aus dem Verhalten heute existierender Naturvölker Rückschlüsse auf unsere eigene Vergangenheit ziehen.

In der Tat passen die Befunde perfekt in unsere Theorie. Die Wissenschaftler Douglas Fry und Patrik Söderberg haben untersucht wie häufig und heftig Kriege in Naturvölkern sind. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass kleine Akte von Gewalt sehr häufig sind, größere Kriege mit vielen Toten jedoch nicht.

Atomwaffen

Nun haben wir gerade die Trends in die Vergangenheit extrapoliert. Was passiert, wenn wir in die Zukunft extrapolieren? Da würden wir erwarten, dass Kriege sehr selten sind, aber dafür extrem zerstörerisch, falls sie doch stattfinden.

Na, klingelts?

Der kalte Krieg ist kalt geblieben, obwohl sich zwei feindlich gesonnenen Mächte für 45 Jahre gegenüberstanden. In der Vergangenheit wäre der Krieg vermutlich heiß geworden. Doch diesmal gab es ein Gleichgewicht des Schreckens, in dem beide Parteien vor einem Angriff zurückschreckten, denn sie fürchteten die totale Vernichtung.

So hatten wir keinen einzigen wirklichen Krieg zwischen Großmächten, wo wir früher mehrere gehabt hätten. Doch keinesfalls kann man davon ausgehen, dass das Gleichgewicht des Schreckens immer ein Gleichgewicht bleiben wird. Es gab einige Momente im Kalten Krieg, an dem dieser ganz schön warm geworden ist (z.B. die Kuba-Krise).

Wenn sich in Zukunft andere Atommächte messen, kann der Konflikt nach wie vor eskalieren. Und falls das passiert, wird die Anzahl der Toten alles Bekannte in den Schatten stellen.

Wenn wir in die Zukunft schauen, scheint unsere Theorie also auch Sinn zu ergeben.

Wieso?

Wir haben zwei Mega-Trends beobachtet. 1) Kriege in Europa werden immer seltener. 2) Kriege in Europa werden immer heftiger.

Aber warum ist das so?

Ich werde nun ein paar potentielle Erklärungen darstellen. Welche findet ihr am plausibelsten? Oder denkt ihr, ich habe etwas vergessen? Schreibt es doch gerne in die Kommentare. 🙂

Die ersten zwei Erklärungen sind eng miteinander verbunden.

Einerseits haben Menschen mit der Zeit immer bessere Waffen entwickelt und mit denen kann man mehr Menschen töten. Auf der anderen Seite wurden auch bessere Verteidigungswerkzeuge erfunden, doch vermutlich überwiegt der Waffeneffekt. Gegen manche Waffen, wie Interkontinentalraketen, kann man sich schlecht verteidigen.

Durch diese erhöhte Letalität steigt direkt die Heftigkeit des Krieges. Entscheidungsträger wissen um diese erhöhte Heftigkeit, wenn sie sich überlegen, ob sie einen Krieg beginnen wollen. Daher sind sie vorsichtiger und starten Kriege seltener. Somit erklärt die Theorie auch, warum Kriege immer seltener vorkommen.

Dies erklärt auch, wieso Tiere häufiger „Kriege“ führen und wieso diese weniger heftig sind. Die wenigsten Tiere kämpfen mit Waffen (Affen schleudern höchstens ziellos ein paar Steine, oder Kot).

Andererseits gibt es mit fortschreitender Zeit auch weniger Staaten. Die meiste Gewalt der Geschichte wurde von Staaten ausgeübt. Wenn deren Anzahl schrumpft, verteilt sich die Weltbevölkerung auf immer weniger Gruppen.

Wenn nun zwei Gruppen in einen Konflikt geraten, ist also automatisch ein größerer Anteil der Weltbevölkerung betroffen.

Auch dies erklärt zusätzlich, wieso es so viele lasche Kriege im Tierreich gibt. Die wenigsten Tierarten bilden große Gruppen.

Ein dritter Grund, der uns eingefallen ist, ist, dass mit der Zeit Entscheidungsträger immer weniger in direkte Kampfhandlungen eingebunden wurden. In vielen Naturvölkern war es üblich, dass der Anführer im Krieg mitkämpfte. Selbst im Mittelalter war der König oder Kaiser meist selbst auf dem Schlachtfeld. Einige, wie Richard Löwenherz, kämpften persönlich an vorderster Front.

Doch mit der Zeit änderte sich dies. Das letzte europäische Staatsoberhaupt, dass in einer Schlacht starb, war der schwedische König Gustav II. Adolf. Dieser fiel übrigens im Zuge des dreißigjährigen Krieges in Deutschland ein und wurde im November 1632 bei Lützen in einer Schlacht gegen ein kaiserliches Heer getötet.

Wenn man weiß, dass man selbst an vorderster Front kämpfen muss überlegt man es sich natürlich zweimal, ob man einen Krieg anfängt. Dies kann zumindest erklären, wieso Kriege mit der Zeit immer seltener werden.

Punchline

Richtet euch darauf ein, dass es in Zukunft weniger Kriege geben wird, die dafür aber umso heftiger sind.

Quellen

Brecke, Peter. „Violent conflicts 1400 AD to the present in different regions of the world.“ 1999 Meeting of the Peace Science Society. 1999.

Fry, Douglas P., and Patrik Söderberg. „Lethal aggression in mobile forager bands and implications for the origins of war.“ Science 341.6143 (2013): 270-273.

Lincoln Park Zoo. „Nature of war: Chimps inherently violent; Study disproves theory that ‚chimpanzee wars‘ are sparked by human influence.“ ScienceDaily. ScienceDaily, 17 September 2014.

Wrangham, Richard W., and Michael L. Wilson. „Collective violence: comparisons between youths and chimpanzees.“ Annals of the New York Academy of Sciences 1036.1 (2004): 233-256.

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Modern Dating

Bist du Single?

Dann wirst du dich sicher dafür interessieren auf welchem Wege heute die meisten Menschen ihren Partner oder ihre Partnerin finden. Und genau darum geht es in diesem Artikel.

Aber auch falls du schon glücklich vergeben bist, könnte der Inhalt dieses Beitrags für dich sehr interessant sein.

Die Partnerschaft ist die grundlegendste Organisationseinheit unserer Gesellschaft. Die Art und Weise auf die solche Partnerschaften entstehen kann die Gesellschaft also stark verändern.

Ein Gedankenspiel: nehmen wir einmal an, dass alle Menschen ihre Liebsten über gemeinsame Freunde oder über die Familie kennen lernen. Sie heiraten etwa ihre Großcousine oder die Tochter bzw. den Sohn des besten Freundes ihres Vaters.

In einer solchen Gesellschaft werden sich schnell voneinander eher unabhängige Clans herausbilden.

Innerhalb dieser Clans wird es einen sehr starken Zusammenhalt geben, weil jeder mit jedem auf vielfache Weise verbunden ist.

Zwischen den Clans bestehen jedoch viel weniger Verknüpfungen und daher vermutlich auch weniger Sympathie.

Im gegensätzlichen Extremfall lernen alle Menschen ihren Partner oder ihre Partnerin ganz zufällig kennen. Mehr Freunde mit dem Partner gemeinsam zu haben erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit zusammen zu kommen.

In so einer Gesellschaft werden sehr wenige Männer ihre Großcousinen heiraten, weil es viel mehr Frauen gibt die nicht eine Großcousine von einem ist, als man Großcousinen hat.

Nach der gleichen Logik wird es auch selten vorkommen, dass man Freunde von Freunden oder Bekannte von Verwandten heiratet.

In einer solchen Gesellschaft werden sich kaum Clans herausbilden können denn es gibt keine Verwandtschafts-Cluster. Jeder ist mit jedem über ein paar Ecken verwandt.

Der Unterschied ist relevant

Es ist klar, dass sich die beiden skizzierten Gesellschaften stark voneinander unterscheiden.

Ein einfaches Beispiel ist Korruption. In einer Clangesellschaft besteht die Gefahr, dass Politiker, Wirtschaftsbosse oder andere mächtige Menschen ihre Macht nicht zum Wohle der ganzen Gesellschaft, sondern zum Wohle ihres eigenen Clans einsetzen.

All ihre sozialen Kontakte, ihre Partner, Freunde, Bekannte sind schließlich Teil des Clans.

Sicherlich kann eine Clangesellschaft auch Vorteile haben. Mir sind nur leider keine guten eingefallen. Falls dir welche einfallen, schreib sie doch gerne in den Kommentarbereich.

Der Punkt hier ist jedenfalls nicht, dass die eine Gesellschaft besser ist als die andere, sondern dass der Unterschied relevant ist.

Daten

Super, nachdem wir das geklärt hätten können wir uns nun der nächsten Frage zuwenden: wie sieht unsere Gesellschaft diesbezüglich aus, und noch spannender: wie entwickelt sich unsere Gesellschaft.

Mit diesen Fragen haben sich drei US-Amerikanische Wissenschaftler aus Stanford, der University of New Mexico und der John Hopkins University jahrelang beschäftigt.

Die Soziologen haben über Jahre hinweg immer wieder Umfragen durchgeführt in denen repräsentative Stichproben der US-Paare danach gefragt wurden, wie sie sich kennen gelernt haben.

Das Projekt läuft unter dem Titel How Couples Meet and Stay Together. Die Daten können hier frei heruntergeladen werden.

Ja, es geht hier um die USA. Ähnlich gute Daten für Deutschland liegen leider nicht vor. Jedoch können die Erkenntnisse auch auf viele andere Länder (vor allem westliche Länder) teilweise übertragbar sein. Die USA nehmen schließlich in vielen Bereichen gegenüber Europa eine Vorreiterrolle ein. Man kann also vermuten, dass sich dortige Trends hierzulande mit einiger Verspätung auch umsetzen.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung haben die Wissenschaftler in dieser Forschungsarbeit zusammengefasst. Die wichtigsten Ergebnisse haben sie in einer Graphik zusammengefasst, die ihr hier seht:

Wie sich Paare zu verschiedenen Zeitpunkten kennen gelernt haben.
Quelle: Rosenfeld et al. (2019)

Wie ist diese Abbildung zu lesen?

Ihr seht dort verschiedene Kurven. Fokussieren wir uns zunächst einmal auf die blaue. Diese Kurve sagt uns wie viele frische Paare angegeben haben sich über gemeinsame Freunde kennen gelernt zu haben. Zum Beispiel zeigt sie uns, dass sich zwischen 1970 und 1990 circa 34 Prozent aller Paare über gemeinsame Freunde kennen gelernt hatten.

Alle anderen Kurven sind ähnlich zu interpretieren.

Als ich diese Graphik das erste Mal gesehen habe, sind mir vor allem zwei Dinge ins Auge gefallen.

Erstens ist der Anteil der frischen Paare, die sich online kennen gelernt haben, in den letzten Jahren explodiert. Dass der Anteil gestiegen sein muss ist wohl den meisten klar. Aber ich denke wenigen ist bewusst, wie krass dieser Trend ist.

Immerhin hört man häufig online Dating würde eher für etwas Lockeres genutzt und tinder-Beziehungen würden häufig in die Brüche gehen.

Da fällt mir ein, ich habe meine Ex-Freundin über tinder kennen gelernt 😀

Diese Argumente mögen valide sein, doch dies ändert nichts daran, dass sich 2017 fast 40% aller frischen US-Paare online kennen gelernt hatten. Dies ist ein gigantischer Anstieg von 10% im Jahre 2000 und 20% im Jahre 2010. Der Anteil der Online-Dating-Paare hat sich also alle 10 Jahre verdoppelt!

Online Dating wird also immer relevanter, dies ist Ergebnis Nummer 1.

Die neue Gesellschaft

Mit dem zweiten Trend kommen wir auf unsere guten alten Clanstrukturen zurück. Was meinst du, legen die Trends in der Graphik eher nahe, dass sich die USA zu einer Clangesellschaft hin oder von einer Clangesellschaft weg entwickeln?

Ich finde, das ist recht eindeutig.

Es begünstig Clanstrukturen, wenn sich Paare vermehrt über Freunde oder Familie kennen lernen. Dies wird durch die blaue, beziehungsweise die dunkelgrüne Linie dargestellt.

Der Anteil der Paare, der sich auf einem dieser beiden Wege kennen gelernt hat, ist in den letzten Jahrzehnten extrem zurück gegangen.

1940 lernten sich noch mehr als die Hälfte auf einem dieser Wege kennen. Nun sind es nur noch circa 20%. Dies ist zum großen Teil darauf zurück zu führen, dass sich nun fast niemand mehr über die Familie kennen lernt.

Auf der anderen Seite läuft es einer Clangesellschaft eher entgegen, wenn sich Menschen ohne Vermittler kennen lernen, etwa in einer Bar, einem Restaurant, oder online.

Dies wird durch die violette beziehungsweise unsere schon bekannte rote Line dargestellt. Wie man sehen kann, ist auch der Anteil der Paare, die sich in einer Bar oder einem Restaurant kennen gelernt hat, in den letzten Jahren rasant gestiegen.

Diese beiden Entwicklungen deuten in die gleiche Richtung: Die USA entwickeln sich weiter weg von einer Clangesellschaft.

Interessant, oder?

Quellen

Rosenfeld, Michael J., Reuben J. Thomas, and Sonia Hausen. „Disintermediating your friends: How online dating in the United States displaces other ways of meeting.“ Proceedings of the National Academy of Sciences 116.36 (2019): 17753-17758.

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Race Relations: Die Wende

Worum geht es hier?

Immer wieder und immer häufiger liest man nun von hate crimes. Dies sind Verbrechen, die an einer Person begangen werden, nur weil diese zu einer bestimmten Gruppe gehört. Sehr häufig ist diese Gruppe eine race (zum Beispiel Farbige oder Weiße in den USA).

Ich sage race, weil es im Deutschen kein Wort für das gibt, was die Amerikaner als race bezeichnen.

Die Beziehungen zwischen den verschiedenen races in den USA scheint also angespannt.

Ist sie das wirklich? Oder übertreiben die Medien wie so oft?

Können wir abschätzen wie sich die Beziehungen zwischen den races, also die race relations in Zukunft entwickeln wird?

Was haben die race relations mit dem Aufstieg von Populisten zu tun?

Antworten auf all diese Fragen und noch viel mehr erwartet euch beim Lesen dieses Artikels!

Um welche Gruppen geht es?

In der folgenden Analyse werde ich mich auf die USA beschränken, hauptsächlich weil es dort die besten Daten gibt. In offiziellen deutschen Statistiken gibt es zum Beispiel keine Kategorie wie race. Wie gesagt, wir haben ja noch nicht einmal ein Wort dafür.

In den USA wird zwischen einer schwarzen und einer weißen race unterschieden. Hispanics sind keine race. Die meisten Hispanics bezeichnen sich als weiß. Jedoch werden sie häufig als eigene Gruppe, getrennt von der weißen race, betrachtet.

Diese drei Gruppen: Weiße, Schwarze und Hispanics machen 2020 mehr als 90% der US-Bevölkerung aus. Ich werde mich im Folgenden auf die Beziehungen zwischen diesen drei Gruppen beschränken.

Wenn ich von Weißen rede, meine ich Weiße, die keine Hispanics sind. Wenn ich von Schwarzen rede meine ich Schwarze, die keine Hispanics sind.

Die Gruppengrößen im Zeitverlauf

Wie groß sind diese Gruppen eigentlich und wie haben sich die relativen Gruppengrößen im Zeitverlauf entwickelt?

Das zeigt die folgende Graphik:

Anteile von Weißen, Schwarzen und Hispanics an der US-Amerikanischen Gesamtbevölkerung über die Zeit.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von US-Zensus Daten.
Link: www.census.gov

Die blaue Linie sagt uns für verschiedene Zeitpunkte wie hoch der Anteil der Weißen an der Gesamtbevölkerung der USA war. Zum Beispiel waren im Jahre 1950 ca. 87% der US-Amerikaner weiß.

Die USA wurden 1776 gegründet. Anteile vor diesem Zeitpunkt beziehen sich auf die europäischen Kolonien.

Wie man sieht, ist der Anteil der Weißen innerhalb der europäischen Kolonien mit der Zeit zurückgegangen, bis zu einem Tiefstand von ca. 78% im Jahre 1770. Dieser Rückgang ist vor allem durch Sklavenimporte aus Afrika zu erklären.

Ab diesem Zeitpunkt stieg der Anteil der Weißen jedoch wieder an, getrieben vor allem durch Immigration aus Irland und Deutschland im frühen 19. Jahrhundert. 1880 betrug der Anteil der Weißen wieder fast 90%. So bleib es auch bis 1950.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sank der Anteil der Weißen an der Bevölkerung extrem schnell. 2019 betrug er nur noch 60%.

Der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung schwankte im Zeitverlauf weniger stark. Zwischen 1600 und 1770 stieg er von 0% auf über 20% an. Von dort sank er langsam, bis er 1950 die 10 Prozent Marke unterschritt. In den letzten 70 Jahren ist der Anteil der Schwarzen leicht gestiegen und liegt nun bei ca. 12 Prozent.

Eine große Hispanic Population gibt es innerhalb der USA noch nicht lange. Jedoch wächst diese Gruppe rasant. 1950 lag ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung noch bei 2%. 2019 waren schon 18% aller US-Amerikaner Hispanics.

Sympathie messen

Wie würdet ihr Sympathie gegenüber einer bestimmten Gruppe messen?

Einfach fragen, oder? Jedoch muss man sehr genau aufpassen, wie man fragt, denn selbst minimale Veränderungen der Frage können zu ganz anderen Antworten führen.

Eine Standardfrage, um Sympathie zu messen sind sogenannte Gefühlsthermometer. Die sollen messen wie warm (oder wohlwollend) Gefühle gegenüber einer Gruppe sind.

Ob uns Antworten auf diese Frage wirklich etwas Relevantes verraten werde ich später noch untersuchen.

Spoiler Alarm:

Ja, tun sie wahrscheinlich schon.

Wie funktionieren diese Fragen?

Wenn man beispielsweise die Sympathie gegenüber Weißen messen will, werden die Umfrageteilnehmer gefragt, wie wohlgesinnt sie Weißen sind. Sie können sich eine Zahl zwischen 0 und 100 aussuchen. 100 bedeutet extrem wohlwollend oder positiv, 0 bedeutet sehr feindselig oder negativ.

Solche Fragen wurden in die American National Election Studies (ANES) eingegliedert. Hierbei handelt es sich um eine Umfrage, die seit über 60 Jahren wiederholt durchgeführt wird. Außerdem ist die Umfrage repräsentativ für die (Wahl-)Bevölkerung der USA.

Schauen wir uns doch einmal zusammen die Ergebnisse an.

Was denkt die Bevölkerung?

Die Thermometer-Frage wurde erstmals 1964 gestellt. Was glaubst du, wie positiv waren die Befragten damals im Durchschnitt gegenüber Weißen eingestellt?

Die folgende Graphik kann es dir verraten.

Durchschnittliche Sympathie in der US-Amerikanischen Gesamtbevölkerung gegenüber Weißen, Schwarzen und Hispanics über die Zeit.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Lass uns erstmal über die Punkte in der Graphik reden. Ganz oben links liegt ein blauer Punkt auf der blauen Linie. Dieser Punkt ist so nett und beantwortet unsere Frage. Im Durchschnitt haben Weiße eine Bewertung von etwa 83 (von 100) erhalten.

Ziemlich gut! Die damalige Bevölkerung hatte scheinbar eine sehr positive Meinung von Weißen.

Und wie sah das im Jahre 1980 aus?

Wir suchen einfach auf der Jahr-Achse das Jahr 1980 und suchen dann den blauen Punkt, der genau über der 1980 ist. Wir sehen: Die Wertung lag im Durchschnitt bei 77.

Einfach, oder?

Wie wurden denn Schwarze bewertet?

Auch das kann uns die Graphik verraten!

Dazu sehen wir uns einfach die grünen Punkte an. Der erste Punkt sagt uns, dass 1964 die US-Amerikaner den Schwarzen im Durchschnitt eine Wertung von 63 gaben. Deutlich weniger als bei den Weißen aber immer noch größer als 50. Das heißt, im Durchschnitt hatten die US-Amerikaner damals ein positives Bild von Schwarzen.

Wie das mit Hispanics funktioniert, weißt du jetzt bestimmt schon, oder?

Einfach nur die roten Punkte betrachten. Hier gibt es leider erst etwas später die ersten Daten, weil in früheren Umfragen nicht nach der Meinung zu Hispanics gefragt wurde. Verständlich, denn sie waren da ja auch noch eine winzige Minderheit.

Soweit zu den Punkten, was sollen die Linien?

Nun, die Punkte fluktuieren, wie man sieht. Die Linien stellen eine Schätzung für den zugrunde liegenden Trend dar.

Nun verstehen wir die Graphik und können sie interpretieren.

Wie man sieht, waren und sind Weiße die beliebteste Gruppe in den USA. Danach folgen Schwarze und Hispanics bilden das Schlusslicht.

Das heißt jedoch nicht, dass es keine Entwicklungen gegeben hätte.

1964 war der Abstand zwischen Weißen und Schwarzen gigantisch. Weiße wurden mit 20 Punkten (von 100) positiver bewertet als Schwarze.

Seitdem ist viel passiert.

Die Beliebtheit von Weißen hat sehr gelitten und ist nun 10 Punkte geringer als vor einem halben Jahrhundert. Dieser Verlust an Beliebtheit war schon 1995 abgeschlossen, er hat sich also in nur 30 Jahren vollzogen.

Seitdem nimmt das Ansehen der Weißen wieder langsam zu.

Für Schwarze und Hispanics ist der Trend genau andersherum. Von ihren relativ geringen Levels vor ca. 50 Jahren ist die Beliebtheit dieser Gruppen stark angestiegen.

In den 2000ern erreichte die Beliebtheit dieser Gruppen dann ihren bisherigen Höhepunkt. Seitdem stagnieren ihre Beliebtheit bzw. gehen leicht zurück.

Das Ansehen der Weißen war also um 2000 so gering wie sonst nie und gleichzeitig war das Ansehen von Hispanics und Schwarzen um 2000 so hoch wie sonst nie. Entsprechend war die Differenz im Ansehen auch in den 2000ern so klein wie sonst nie.

In der Tat ist der Unterschied im Ansehen zwischen Weißen und „dem Rest“ bis in die frühen 2000er immer weiter gesunken.

Doch nun vollzieht sich eine Wende.

Der Unterschied im Ansehen steigt wieder, zum ersten Mal seit über einem halben Jahrhundert.

Was denken die Weißen?

Bis jetzt haben wir uns angeschaut was der durchschnittliche US-Amerikaner denkt. Aber was denkt der durchschnittliche Weiße?

Diese Frage wird durch die folgende Abbildung beantwortet. Der einzige Unterschied zur letzten Abbildung besteht darin, dass wir nun ausschließlich die Antworten von Weißen berücksichtigen.

Durchschnittliche Sympathie unter US-Amerikanischen Weißen gegenüber Weißen, Schwarzen und Hispanics über die Zeit.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Wie man sehen kann, sind die beiden Graphiken recht ähnlich. Dies macht Sinn, denn der Großteil der US-Amerikanischen Bevölkerung ist weiß.

In dieser Graphik ist die Wende der Race Relations in den frühen 2000ern noch etwas deutlicher. Die Sympathie-Kurve der Weißen steigt hier etwas stärker an. Die steigende Sympathie für Weiße in den USA seit 2000 ist also darauf zurück zu führen, dass die Weißen seitdem ein positiveres Selbstbild entwickelt haben.

Die Meinung von Hispanics und Schwarzen stagniert hingegen eher seit 2000, bei Hispanics scheint sie leicht zugenommen zu haben.

Was denken die Schwarzen?

Gerade haben wir uns auf die Antworten von Weißen Befragten beschränkt. Lass und nun nur Schwarze Befragte anschauen.

Die Art der Abbildung ist wieder dieselbe, hier ist die Graphik:

Durchschnittliche Sympathie unter US-Amerikanischen Schwarzen gegenüber Weißen, Schwarzen und Hispanics über die Zeit.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Wir hatten vorhin gesehen, dass Weiße sich selbst sympathischer finden als andere Gruppen.

Wie man sieht, haben Schwarze auch mehr Sympathie für andere Schwarze als für Hispanics oder Weiße. Der Unterschied zwischen der Sympathie für die eigene Gruppe ist bei Schwarzen sogar deutlich stärker ausgeprägt als bei Weißen.

Weiße bewerteten die Weißen 2016 im Schnitt um ca. 7 Punkte sympathischer als Hispanics und Schwarze. Bei Schwarzen betrug der Unterschied 2016 zu Hispanics ca. 13 Punkte und zu Weißen sogar 18 Punkte.

Wie man sieht, war dies bei Schwarzen schon seit den 1960er Jahren vorhanden, 1964 sogar noch stärker als jetzt.

Im Laufe der Zeit ist diese besondere Sympathie für die eigene Gruppe, wie bei den Weißen, zurück gegangen. Bis zum Jahre 2000 hatte die Sympathie gegenüber Schwarzen abgenommen und die Sympathie gegenüber Weißen und Hispanics zugenommen.

Genau wie bei den Weißen hat aber seit 2000 eine Wende stattgefunden.

Die Sympathie gegenüber Schwarzen steigt wieder leicht, während die Sympathie für Weiße in den letzten 16 Jahren extrem zurück gegangen ist.

Die Sympathie gegenüber Hispanics ist jedoch weiter gestiegen und ist 2016 so hoch wie nie zuvor. Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen sind Schwarze nun sogar positiver gegenüber Hispanics eingestellt als gegenüber Weißen.

Was denken die Hispanics?

Das gleiche Spiel können wir zu guter Letzt auch noch mit den Hispanics spielen. Um die folgende Graphik zu erstellen habe ich nur Antworten von Hispanics berücksichtigt.

Durchschnittliche Sympathie unter US-Amerikanischen Hispanics gegenüber Weißen, Schwarzen und Hispanics über die Zeit.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Wieder sehen wir, dass Hispanics ihre eigene Gruppe positiver bewerten als die beiden anderen. Im Jahre 2016 um satte 11 Punkte.

Auch hier ist jedoch wieder festzuhalten, dass Hispanics die anderen Gruppen nicht hassen. Im Gegenteil, die durchschnittlichen Bewertungen für die anderen Gruppen sind zu allen Zeitpunkten weit über der 50% Marke. Dies bedeutet, dass Hispanics Schwarzen wie Weißen wohlgesonnen sind. Ihre eigene Gruppe mögen sie nur eben noch lieber.

Wenn wir die Trends betrachten, erkennen wir, dass diese besondere Sympathie für die eigene Gruppe seit den 1970er Jahren immer weiter zugenommen hat.

Die Sympathie für Schwarze hat seit den 60er Jahren ebenfalls zugenommen während Sympathie für Weiße stark abgenommen hat. Tatsächlich war die Sympathie für Weiße jahrzehntelang deutlich höher als die für Schwarze. 2016 war die Sympathie für die Hispanics gegenüber den beiden Gruppen fast identisch.

Auch hier zeigt sich wieder ganz deutlich die Wende der Race Relations.

In den 70er Jahren hatten Hispanics etwas mehr Sympathie für ihre eigene Gruppe als für die Weißen und deutlich mehr als für die Schwarzen.

Bis zum Jahr 2000 veränderte sich die Sympathie für Weiße kaum, die Sympathie für Schwarze stieg jedoch deutlich an.

Dies führte dazu, dass die Sympathie-Differenz zwischen ihrer eigenen Gruppe und den beiden anderen Gruppen im Jahre 2000 so gering war wie nie zuvor.

Auf diese Konvergenz vor 2000 folgte jedoch eine Divergenz.

In den folgenden Jahren wurde den Hispanics ihre eigene Gruppe immer sympathischer, während ihnen die beiden anderen Gruppen immer unsympathischer wurden.

Zwischenfazit

Fassen wir unsere Erkenntnisse noch einmal kurz zusammen:

  1. Alle betrachteten Ethnien/Races in den USA finden sich selbst am tollsten.
  2. Zwischen 1960 und 2000 fand ein Mega-Trend statt. Alle 3 Hauptgruppen (Weiße, Schwarze, Hispanics) wurden immer toleranter gegenüber den anderen beiden Gruppen.
  3. Dieser Mega-Trend hat sich nun umgekehrt. Die eigene Gruppe wird nun mit der Zeit immer stärker gegenüber den anderen Gruppen bevorzugt.

Wieso ist das wichtig?

Kann ich dir sagen!

Sagen wir mal eine bestimmte Person hat den Weißen einen Sympathie-Wert von 80 gegeben, den Schwarzen einen von 70 und den Hispanics einen von 60.

Dann findet die Person Weiße um 10 Punkte sympathischer als Schwarze und 20 Punkte sympathischer als Hispanics. Man könnte auch sagen sie findet Weiße um 15 Punkte sympathischer als die durchschnittliche andere Gruppe.

Diese Differenz nenne ich Nettosympathie für Weiße. Wenn sie größer ist als 0, dann findet die Person Weiße sympathischer als den Durchschnitt der beiden anderen Gruppen. Wenn sie 0 ist, dann findet die Person Weiße genau so sympathisch wie den Durchschnitt der beiden anderen Gruppen und wenn sie positiv ist dann…

Naja, du weißt schon.

Betrachten wir jetzt gemeinsam die folgende Graphik:

Anteil der Trump-Wähler für verschiedenen Gruppen nach Netto-Sympathie für Weiße.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Auf der x-Achse sind verschiedene eingeklammerte Werte zu sehen. Dies sind Werte für die Nettosympathie gegenüber Weißen. Die erste Klammer bezieht sich auf Befragte, die eine Nettosympathie zwischen -69,7 und -59,9 haben. Dies sind Leute, die Weiße viel unsympathischer finden als Schwarze und Hispanics

Der schwarze Punkt oberhalb dieser Klammer zeigt an, wie viel Prozent dieser Befragten 2016 für Trump gestimmt haben. Es sind nur 20%.

Die Interpretation für die anderen Klammern ist ähnlich.

Und wir erkennen ein Muster!

Menschen, die eine geringe Nettosympathie für Weiße haben, haben zum größten Teil Clinton gewählt. Die hingegen, die eine hohe Netto-Sympathie für Weiße haben (weiter rechts), haben mehrheitlich Trump gewählt. (NA sind die, die keine Angaben machen wollten).

Es gibt also einen engen Zusammenhang zwischen der Sympathie, so wie wir sie gemessen haben, und dem Wahlverhalten.

Daher scheint sich eine Veränderung der von uns gemessenen Sympathie tatsächlich in echten Einstellungen und echtem Verhalten nieder zu schlagen.

Stimmt das wirklich?

Ich geb’s ja zu: die graphische Analyse oben hat eine Schwachstelle, die ich hier besprechen möchte:

Es ist nicht klar, inwieweit diese graphische Evidenz eine Kausalität widerspiegelt.

Führte eine höhere Netto Sympathie wirklich zu mehr Trump-Stimmen oder gab es eine dritte Variable im Hintergrund die beide beeinflusste?

Eigentlich müsste man ein Experiment machen oder ein natürliches Experiment finden, um Kausalität zu zeigen.

Dies würde aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Im Folgenden möchte ich aber die Daten, die mir momentan zur Verfügung stehen, nutzen, um die offensichtlichsten Probleme zu beheben. Ich werde die Ergebnisse einer OLS-Regression zeigen, in der ich für alle relevanten Variablen kontrolliere, die in der ANES Umfrage abgefragt wurden.

Dies erlaubt es mir auszuschließen, dass die kontrollierten Variablen sowohl das Wahlverhalten als auch die Sympathie beeinflussen.

Für die, die keine Ahnung haben was OLS bedeutet: Ihr könnt den nächsten Abschnitt überspringen 🙂

Was jetzt kommt wird unsere Schlussfolgerungen sowieso nicht ändern.

OLS-Ergebnisse

Die Regressionsgleichung sieht wie folgt aus:

I[i stimmt für Trump]i=a +NWi *b + Xi*c + ei

für i=1,…,N.

I[i stimmt für Trump]i ist 1 wenn Befragter i Trump gewählt hat und sonst 0. NWi ist die Netto-Sympathie für Weiße von Befragtem i. Xi ist eine Matrix, die die folgenden Variablen enthält: Bildung, Arbeitsstatus (Arbeitssuchend, arbeitend…), Soziale Klasse (Mittelschicht, Oberschicht…), Familienstand, Migrationshintergrund (ja, nein), Alter, Geschlecht, Region des Wohnorts, Race, Ethnie (enthält nicht nur Hispanics), religiöse Zugehörigkeit, Religiosität und Einstellungen gegenüber illegalen Einwanderern, Homosexuellen und Feminismus.

Die Ergebnisse der Regression sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Abhängige Variable:
Trump-Wahlindikator
(1)(2)
Nettosympathie für Weiße0,049***0,044***
Kontrollvariablen
DemographieNeinJa
ReligionNeinJa
Ethnie/RaceNeinJa
WerteNeinJa
BildungNeinJa
Beobachtungen2.5472.336
Angepasstes R20,0080,427
Signifikanzniveaus:*p<0,1; **p<0,05; ***p<0,01
Ergebnisse einer OLS-Regression. Es wurden robuste Standardfehler verwendet. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von ANES Daten
Link: https://electionstudies.org/data-center/anes-time-series-cumulative-data-file/

Die Nettosympathie wurde standardisiert, um die Interpretation zu erleichtern. Die Interpretation des Koeffizienten in Spalte eins ist die folgende: eine Erhöhung der Nettosympathie einer Person um eine Standardabweichung geht einher mit einer um 5 Prozentpunkte erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass diese Person 2016 Trump gewählt hat.

Eine beachtliche Stärke. Der Zusammenhang ist auch hochsignifikant.

In der zweiten Spalte kontrolliere ich zusätzlich für alle oben beschriebenen Kontrollvariablen. Der Koeffizient bekommt nun die folgende Interpretation: was ist der Zusammenhang zwischen der Nettosympathie und dem Wahlverhalten zwischen Personen die die gleiche Demographie haben, der gleichen Race und Ethnie angehören, den gleichen Bildungsstand haben, der gleichen Religion angehören und gleich religiös sind und ähnliche Werte bezüglich Homosexualität, Illegaler Einwanderung und Feminismus haben?

All diese Dinge sind bei den beiden Personen gleich. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Nettosympathie für Weiße. Was ist dann der durchschnittliche Unterschied in der Neigung Trump zu wählen.

Wie uns der Koeffizient netter Weise verrät, haben die Personen mit einer höheren Nettosympathie für Weiße um 5 Prozentpunkte höherer Wahrscheinlichkeit Trump 2016 gewählt. Interessanterweise hat sich der Koeffizient durch das Hinzufügen all dieser Kontrollvariablen also kaum verändert, außerdem bleibt er weiter hochsignifikant. Dies spricht für ein sehr robustes Ergebnis!

Wieso?

Gut, die Race Relations scheinen sich wieder zu verschlechtern, der Mega-Trend hat sich umgekehrt. Aber was ist der Grund dafür?

Schlechte Nachrichten: diese Frage werde ich hier nicht beantworten können. Dies bedarf einer viel genaueren Analyse. Vielleicht mache ich das in der Zukunft einmal, ihr erfahrt es als erste 🙂

Was nun folgt sind eher Spekulationen. Falls ihr andere Ideen habt, schreibt sie sehr gerne in die Kommentarsektion.

Wir haben gesehen, dass sich die Wende in den frühen 2000ern ereignet hat. Dies deutet darauf hin, dass Ereignisse zu dieser Zeit die Wende herbeigeführt haben könnten.

Was ist damals Wichtiges passiert?

Mir fallen da zwei Entwicklungen ein, die einen Einfluss auf Race Relations gehabt haben könnten.

Internet

Zum einen ist da die rasante Ausbreitung des Internets zu nennen. Das Internet ermöglicht es uns mit Menschen in Kontakt zu treten, die wir sonst nie getroffen hätten. Häufig wird dies als Vorteil angesehen, doch ich bin da weniger optimistisch.

Beziehen wir uns auf Schwarze und Weiße. Ich bin weiß. Wenn ich über das Internet mit fast jedem Menschen in Kontakt treten kann, kommuniziere ich mehr mit Schwarzen.

Einerseits können so Freundschaften entstehen, was die Race Relations verbessern sollte. Andererseits lande ich so vielleicht auch auf Seiten auf denen Schwarze schlecht über Weiße reden (denkt an die Youtube Kommentarsektion mancher Videos). Das wird eher zu Abneigung gegenüber Schwarzen führen. Es gibt also zwei Effekte, die in gegenseitige Richtungen wirken. Diese beiden Effekte wirken natürlich auch auf Schwarze.

Unter Umständen könnte der negative Effekt den positiven überwiegen. Denkt zum Beispiel daran, wie das Internet missbraucht werden könnte bzw. bereits missbraucht wird. Eine kleine Gruppe von Menschen, die die Race Relations verschlechtern wollen, könnten absichtlich Hasskommentare unter falschen Identitäten posten. Dazu kommt noch, dass sich Nachrichten die Empörung hervor rufen besonders schnell verbreiten.

Die Theorie wäre hier also, dass US-Amerikaner durch das Internet mehr (negativem) Kontakt mit Menschen anderer races ausgesetzt wurden. Dies könnte beispielsweise dadurch passiert sein, dass negative Erfahrungen stärker wirken als positive oder dass das Internet von einigen Aktivisten missbraucht wurde.

Identity Politics

Race Relations sind eng verbunden mit dem Kampf der Schwarzen für Gleichberechtigung. Hier hat sich ein krasser Wandel vollzogen.

Die Aktivisten der 60er Jahre wie Martin Luther King hatten universalistische Ziele. Ihnen ging es darum, dass Schwarze und Weiße eben nicht als Schwarze oder Weiße, sondern als Menschen betrachtet werden. Man blickte also auf die Gemeinsamkeiten, nicht die Unterschiede.

In den frühen 2000ern hat sich dies geändert. Aktivisten für die Rechte von racial minorities (hauptsächlich Schwarze) begannen damit die Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen zu betonen.

Nach Meinung dieser Aktivisten gibt es einen Rassismus gegen Schwarze, der tief in der US-Amerikanischen Gesellschaft verwurzelt ist. Fast jeder Schwarze sei von diesem Rassismus betroffen wohingegen Rassismus gegen Weiße fast nicht oder gar nicht existiere. Daher seien die Lebensumstände von Schwarzen und Weißen sehr unterschiedlich.

Diese Sichtweise wird durch die hier dargestellten Daten teilweise untermauert. Wie wir gesehen haben, sind Menschen gegenüber anderen Menschen ihrer eigenen Race besonders positiv eingestellt. Dies könnte man als Rassismus bezeichnen.

Zwar sind Schwarze nach dieser Definition deutlich rassistischer als Weiße (und Hispanics), jedoch gibt es auch deutlich mehr Weiße als Schwarze in den USA. Man könnte also argumentieren, dass Schwarze im Schnitt mit mehr Rassismus konfrontiert werden als Weiße.

Und diese unterschiedlichen Lebensumstände müssen nach ihrer Meinung eine unterschiedliche Behandlung nach sich ziehen. Dieser Logik folgend verlangen solche Aktivisten typischerweise mehr Rechte für Schwarze als für Weiße, zum Beispiel dadurch, dass bei ähnlicher Qualifikation immer ein schwarzer Bewerber genommen werden muss.

Ein riesiges Problem dieses Ansatzes ist natürlich, dass die offizielle Diskriminierung so gestaltet werden muss, dass die inoffizielle Diskriminierung exakt ausgeglichen wird. Denn natürlich könnte die gesetzliche Bevorzugung von Schwarzen auch so weit gehen, dass die vorhandene Diskriminierung überkompensiert wird. Unter Umständen könnte man dann am Ende mehr Diskriminierung gegen Weiße haben, als jetzt gegen Schwarze besteht.

Wie auch immer.

Inwiefern dieses Weltbild richtig oder falsch ist, will ich hier nicht diskutieren. Das mache ich vielleicht irgendwann mal.

Aber es ist klar, dass solche Argumentationen die Gesellschaft entlang der races spalten können. So argumentieren beispielsweise Kaufman (2018) und Chua (2019).

Beide sehen das white identity movement und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten 2016 als Gegenreaktion auf eine sich radikalisierende Black Identity Bewegung.

Jetzt würde mich interessieren: was haltet ihr davon? Welche Erklärung findet ihr am plausibelsten? Schreibt mir eure Meinung doch gerne einmal in die Kommentare.

Quellen

Chua, Amy. Political tribes: Group instinct and the fate of nations. Penguin Books, 2019.

Kaufmann, Eric. Whiteshift: Populism, immigration and the future of white majorities. Penguin UK, 2018.

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