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Bist du Single?

Dann wirst du dich sicher dafür interessieren auf welchem Wege heute die meisten Menschen ihren Partner oder ihre Partnerin finden. Und genau darum geht es in diesem Artikel.

Aber auch falls du schon glücklich vergeben bist, könnte der Inhalt dieses Beitrags für dich sehr interessant sein.

Die Partnerschaft ist die grundlegendste Organisationseinheit unserer Gesellschaft. Die Art und Weise auf die solche Partnerschaften entstehen kann die Gesellschaft also stark verändern.

Ein Gedankenspiel: nehmen wir einmal an, dass alle Menschen ihre Liebsten über gemeinsame Freunde oder über die Familie kennen lernen. Sie heiraten etwa ihre Großcousine oder die Tochter bzw. den Sohn des besten Freundes ihres Vaters.

In einer solchen Gesellschaft werden sich schnell voneinander eher unabhängige Clans herausbilden.

Innerhalb dieser Clans wird es einen sehr starken Zusammenhalt geben, weil jeder mit jedem auf vielfache Weise verbunden ist.

Zwischen den Clans bestehen jedoch viel weniger Verknüpfungen und daher vermutlich auch weniger Sympathie.

Im gegensätzlichen Extremfall lernen alle Menschen ihren Partner oder ihre Partnerin ganz zufällig kennen. Mehr Freunde mit dem Partner gemeinsam zu haben erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit zusammen zu kommen.

In so einer Gesellschaft werden sehr wenige Männer ihre Großcousinen heiraten, weil es viel mehr Frauen gibt die nicht eine Großcousine von einem ist, als man Großcousinen hat.

Nach der gleichen Logik wird es auch selten vorkommen, dass man Freunde von Freunden oder Bekannte von Verwandten heiratet.

In einer solchen Gesellschaft werden sich kaum Clans herausbilden können denn es gibt keine Verwandtschafts-Cluster. Jeder ist mit jedem über ein paar Ecken verwandt.

Der Unterschied ist relevant

Es ist klar, dass sich die beiden skizzierten Gesellschaften stark voneinander unterscheiden.

Ein einfaches Beispiel ist Korruption. In einer Clangesellschaft besteht die Gefahr, dass Politiker, Wirtschaftsbosse oder andere mächtige Menschen ihre Macht nicht zum Wohle der ganzen Gesellschaft, sondern zum Wohle ihres eigenen Clans einsetzen.

All ihre sozialen Kontakte, ihre Partner, Freunde, Bekannte sind schließlich Teil des Clans.

Sicherlich kann eine Clangesellschaft auch Vorteile haben. Mir sind nur leider keine guten eingefallen. Falls dir welche einfallen, schreib sie doch gerne in den Kommentarbereich.

Der Punkt hier ist jedenfalls nicht, dass die eine Gesellschaft besser ist als die andere, sondern dass der Unterschied relevant ist.

Daten

Super, nachdem wir das geklärt hätten können wir uns nun der nächsten Frage zuwenden: wie sieht unsere Gesellschaft diesbezüglich aus, und noch spannender: wie entwickelt sich unsere Gesellschaft.

Mit diesen Fragen haben sich drei US-Amerikanische Wissenschaftler aus Stanford, der University of New Mexico und der John Hopkins University jahrelang beschäftigt.

Die Soziologen haben über Jahre hinweg immer wieder Umfragen durchgeführt in denen repräsentative Stichproben der US-Paare danach gefragt wurden, wie sie sich kennen gelernt haben.

Das Projekt läuft unter dem Titel How Couples Meet and Stay Together. Die Daten können hier frei heruntergeladen werden.

Ja, es geht hier um die USA. Ähnlich gute Daten für Deutschland liegen leider nicht vor. Jedoch können die Erkenntnisse auch auf viele andere Länder (vor allem westliche Länder) teilweise übertragbar sein. Die USA nehmen schließlich in vielen Bereichen gegenüber Europa eine Vorreiterrolle ein. Man kann also vermuten, dass sich dortige Trends hierzulande mit einiger Verspätung auch umsetzen.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung haben die Wissenschaftler in dieser Forschungsarbeit zusammengefasst. Die wichtigsten Ergebnisse haben sie in einer Graphik zusammengefasst, die ihr hier seht:

Wie sich Paare zu verschiedenen Zeitpunkten kennen gelernt haben.
Quelle: Rosenfeld et al. (2019)

Wie ist diese Abbildung zu lesen?

Ihr seht dort verschiedene Kurven. Fokussieren wir uns zunächst einmal auf die blaue. Diese Kurve sagt uns wie viele frische Paare angegeben haben sich über gemeinsame Freunde kennen gelernt zu haben. Zum Beispiel zeigt sie uns, dass sich zwischen 1970 und 1990 circa 34 Prozent aller Paare über gemeinsame Freunde kennen gelernt hatten.

Alle anderen Kurven sind ähnlich zu interpretieren.

Als ich diese Graphik das erste Mal gesehen habe, sind mir vor allem zwei Dinge ins Auge gefallen.

Erstens ist der Anteil der frischen Paare, die sich online kennen gelernt haben, in den letzten Jahren explodiert. Dass der Anteil gestiegen sein muss ist wohl den meisten klar. Aber ich denke wenigen ist bewusst, wie krass dieser Trend ist.

Immerhin hört man häufig online Dating würde eher für etwas Lockeres genutzt und tinder-Beziehungen würden häufig in die Brüche gehen.

Da fällt mir ein, ich habe meine Ex-Freundin über tinder kennen gelernt 😀

Diese Argumente mögen valide sein, doch dies ändert nichts daran, dass sich 2017 fast 40% aller frischen US-Paare online kennen gelernt hatten. Dies ist ein gigantischer Anstieg von 10% im Jahre 2000 und 20% im Jahre 2010. Der Anteil der Online-Dating-Paare hat sich also alle 10 Jahre verdoppelt!

Online Dating wird also immer relevanter, dies ist Ergebnis Nummer 1.

Die neue Gesellschaft

Mit dem zweiten Trend kommen wir auf unsere guten alten Clanstrukturen zurück. Was meinst du, legen die Trends in der Graphik eher nahe, dass sich die USA zu einer Clangesellschaft hin oder von einer Clangesellschaft weg entwickeln?

Ich finde, das ist recht eindeutig.

Es begünstig Clanstrukturen, wenn sich Paare vermehrt über Freunde oder Familie kennen lernen. Dies wird durch die blaue, beziehungsweise die dunkelgrüne Linie dargestellt.

Der Anteil der Paare, der sich auf einem dieser beiden Wege kennen gelernt hat, ist in den letzten Jahrzehnten extrem zurück gegangen.

1940 lernten sich noch mehr als die Hälfte auf einem dieser Wege kennen. Nun sind es nur noch circa 20%. Dies ist zum großen Teil darauf zurück zu führen, dass sich nun fast niemand mehr über die Familie kennen lernt.

Auf der anderen Seite läuft es einer Clangesellschaft eher entgegen, wenn sich Menschen ohne Vermittler kennen lernen, etwa in einer Bar, einem Restaurant, oder online.

Dies wird durch die violette beziehungsweise unsere schon bekannte rote Line dargestellt. Wie man sehen kann, ist auch der Anteil der Paare, die sich in einer Bar oder einem Restaurant kennen gelernt hat, in den letzten Jahren rasant gestiegen.

Diese beiden Entwicklungen deuten in die gleiche Richtung: Die USA entwickeln sich weiter weg von einer Clangesellschaft.

Interessant, oder?

Quellen

Rosenfeld, Michael J., Reuben J. Thomas, and Sonia Hausen. „Disintermediating your friends: How online dating in the United States displaces other ways of meeting.“ Proceedings of the National Academy of Sciences 116.36 (2019): 17753-17758.

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