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Allgemein Weit verbreitete Irrtümer

Eine Definition von Intelligenz

Auch wenn du bestimmt mega intelligent bist, kennst du wahrscheinlich jemanden, der noch schlauer ist als du.

Oder etwa nicht?

Ich kenne da einige. Mitschüler, die den Unterrichtsstoff besser und schneller verstanden haben, andere Doktoranden, die cleverere Forschung machen und manchmal treffe ich selbst beim Feiern gehen Menschen, die ihre Argumente dreimal erklären müssen, bevor ich sie verstehe.

Gut, der letzte Punkt lässt sich vielleicht auch durch übermäßigen Alkoholkonsum erklären.

Jetzt fragst du dich vielleicht: was genau meinst du mit Intelligenz?

Ich will ehrlich sein. Ich kann diese Frage nicht sehr präzise beantworten. Grob gesprochen meine ich damit die Auffassungsgabe, die Geschwindigkeit, mit der jemand Informationen aufnehmen, kombinieren und daraus korrekte logische Schlüsse ableiten kann.

Klingt nicht sehr präzise, oder? Es wäre sehr schwer Intelligenz auf Basis dieser Definition zu messen.

Intelligenz messbar zu machen ist jedoch sehr wichtig.

Immer wieder untersuchen Forscher Zusammenhänge zwischen Intelligenz und allen möglichen anderen Größen wie etwa der Berufswahl, dem Einkommen oder der Bildung.

Doch bevor man solche Zusammenhänge messen kann, muss man natürlich erst die einzelnen Größen messen.

Natürlich ist dies Wissenschaftlern schon lange bewusst. Es gibt schon lange präzise und plausible Definitionen von Intelligenz die Messbarkeit ermöglichen.

Diese Definition ist leider in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt.

Spoiler: Es ist nicht der IQ!

In diesem Artikel möchte ich euch erklären, wie Wissenschaftler Intelligenz definieren und warum.

Der g-Faktor

Falls du jetzt gedacht hast ich komme dir mit IQ – weit gefehlt. IQ als Maß für Intelligenz ist veraltet (Plomin und von Stumm 2018).

In der Forschung nutzt man stattdessen den Allgemeinen Faktor der Intelligenz, auch g-Faktor oder g genannt.

Während IQ-Tests nur eine bestimmte Art des logischen Denkens messen, beinhaltet der g-Faktor sehr viele verschiedene Arten von Intelligenz. Dazu gehören neben logischem Denken räumliches Denken, verbale Intelligenz, emotionale Intelligenz und viele mehr.

Diese Arten von Intelligenz erscheinen dir vielleicht verschieden. Doch Menschen, die in einer Art hohe Werte erzielen, sind meistens auch in anderen Arten der Intelligenz sehr stark (Plomin und von Stumm 2018).

Das Leben scheint hier also nicht besonders fair zu sein. Ausgleichende Gerechtigkeit – ich bin besser im logischen Denken, dafür kannst du besser räumlich denken – gibt es in der Realität eher weniger. Einige Menschen sind einfach in allen Arten der Intelligenz besser als andere.

Intelligenzforscher gehen daher davon aus, dass es so etwas wie Allgemeine Intelligenz gibt, die den Kern all dieser verschiedenen Arten von Intelligenz darstellt.

Diese Allgemeine Intelligenz versucht man aus den Testergebnissen von verschiedenen Intelligenztests zu schätzen. Zu diesem Zweck werden alle Informationen aus den verschiedenen Tests kombiniert. Alle Testergebnisse gehen also mit in die Gesamtintelligenz ein.

Allerdings liefern manche Intelligenztests präzisere Ergebnisse als andere. Beim Zusammenrechnen werden daher die präziser gemessenen Tests stärker berücksichtigt.

Dies kann man beispielsweise mit einer Principal Component Analyse (PCA) machen. Einzelheiten dazu findet ihr hier. Obwohl das Prinzip nicht super kompliziert ist, würde eine nähere Beschreibung der PCA hier den Rahmen sprengen.

Ist dieses Maß für Intelligenz sinnvoll?

Gut, jetzt wissen wir, wie man Allgemeine Intelligenz berechnet.

Aber wie aussagekräftig ist dieses Maß?

Die allermeisten Forscher halten dieses Maß für extrem aussagekräftig. Dass Intelligenzforscher das so sehen ist klar. Es ist ja ihr Job zuverlässige Maße für Intelligenz zu finden. Aber auch in anderen Disziplinen wie zum Beispiel der Psychologie oder der Ökonomie gilt der g-Faktor als aussagekräftig.

Dafür gibt es vor allem zwei Gründe.

Erstens ist g besser als jede andere Eigenschaft geeignet um wichtige Größen wie Bildung (Deary et al. 2007), Berufswahl (Strenze 2007) und selbst Gesundheit (Calvin et al. 2017) vorher zu sagen.

Was bedeutet das?

Sagen wir, du lernst zwei Kinder kennen. Sie sind beide 16 Jahre alt. Du willst vorhersagen was aus ihnen wird. Welche Bildungsabschlüsse werden sie erreichen? Wie viel werden sie verdienen? Wie lange werden sie leben?

Du darfst genau eine Eigenschaft der beiden messen und darauf deine Vorhersage gründen.

Welche Eigenschaft solltest du messen, um die beste Vorhersage zu ermöglichen?

Ambitionen? Selbstbewusstsein? Sorgfalt? Sozialverhalten? Nein!

Du solltest den g-Faktor messen. Er wird dir die beste (und eine sehr gute) Vorhersagekraft ermöglichen. Nur dadurch, dass du g misst, kannst du recht gut vorhersagen wer erfolgreich sein wird und wer nicht.

Das bedeutet natürlich nicht, dass andere Faktoren keine Rolle spielen. Ambitionen im Kindesalter beispielsweise weisen ebenfalls einen engen Zusammenhang mit Einkommen und sozialem Status im Erwachsenenalter auf.

Jedoch weist keine andere Eigenschaft einen so engen Zusammenhang mit späterem Erfolg auf wie der g-Faktor.

Zweitens ist der g-Faktor ein sehr stabiles Maß. Menschen, die im Kindesalter ein relativ hohes g haben, schneiden auch als Erwachsene gut ab. Besonders ab der Pubertät ändert sich die Reihenfolge zwischen Menschen bezüglich g eher selten. Diejenigen, die mit 16 die höchste allgemeine Intelligenz haben, haben auch noch mit 90 Jahren den höchsten g-Faktor (Deary et al. 2013).

Dies legt auch nahe, dass g wohl ohne große Messfehler gemessen werden kann. Denn diese Fehler sollten nicht stabil über die Zeit sein.

Der g-Faktor über die Lebensspanne

Die eben diskutierte Stabilität bezieht sich nur auf Unterschiede zwischen Menschen. Die Unterschiede im g-Faktor zwischen ähnlich alten Personen verändern sich über die Zeit kaum.

Aber die Allgemeine Intelligenz eines einzelnen Menschen verändert sich über die Zeit sehr wohl. Die meisten Menschen haben ihren höchsten g-Faktor im jungen Erwachsenenalter. Danach nimmt g stetig ab.

So gesehen werden Menschen im Alter immer dümmer. Aber gut, dafür nimmt auf der anderen Seite mit der Erfahrung auch das Wissen zu.

Zusammenfassung

Natürlich hat jeder Mensch eine etwas andere Vorstellung davon, was Intelligenz ist. Manche denken vielleicht, dass sprachliche Intelligenz ein Teil von Intelligenz sein sollte während andere meinen, dass Intelligenz nichts anderes sei als logisches Denken.

Dies ist aber kein großes Problem. Denn wie wir gesehen haben, sind verschiedene Formen von Intelligenz stark miteinander korreliert; Menschen, die in einem Bereich von Intelligenz besonders gut abschneiden, sind auch in anderen Feldern sehr stark.

Die moderne Intelligenzforschung bezieht daher so viele Formen von Intelligenz wie möglich in ihre Analyse mit ein und kombiniert all diese Informationen.

Das Ergebnis ist der g-Faktor, der auch als „Allgemeine Intelligenz“ bezeichnet wird.

Mit ihm lassen sich überraschend gut wichtige Dinge wie spätere Bildungsabschlüsse oder die Berufswahl recht gut (aber natürlich nicht perfekt) vorhersagen.

Obwohl Fälle erfolgreicher intelligenter Menschen deutlich häufiger sind, sind die Fälle, in denen eine frühe, auf dem g-Faktor basierende, Prognose zu komplett falschen Ergebnissen geführt hätte, viel interessanter.

Das krasseste Beispiel solcher Art findest du ausführlich im folgenden Artikel beschrieben; Der letzte Brief eines Genies

Viel Spaß beim Lesen!

Quellen

Calvin, Catherine M., et al. „Childhood intelligence in relation to major causes of death in 68 year follow-up: prospective population study.“ bmj 357 (2017).

Deary, Ian J., et al. „Intelligence and educational achievement.“ Intelligence 35.1 (2007): 13-21.

Deary, Ian J., Alison Pattie, and John M. Starr. „The stability of intelligence from age 11 to age 90 years: the Lothian birth cohort of 1921.“ Psychological science 24.12 (2013): 2361-2368.

Plomin, Robert, and Sophie von Stumm. „The new genetics of intelligence.“ Nature Reviews Genetics 19.3 (2018): 148.

Strenze, Tarmo. „Intelligence and socioeconomic success: A meta-analytic review of longitudinal research.“ Intelligence 35.5 (2007): 401-426.

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3 Antworten auf „Eine Definition von Intelligenz“

Hallo Dieter!

Schön, dass es dir gefallen hat!
Ja klar, wir werden zu dem Thema bald noch mehr schreiben.

LG,
Laurenz

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